Dialog geht jeden an

Die Verflechtung der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Probleme unserer Zeit macht deutlich, wie sehr die Menschen aufeinander angewiesen sind. Die weltweite Krise kann nicht mehr von einem Teil der Menschheit allein gelöst werden. Ein Bewußtsein der gemeinsamen Verantwortung und eine Verständigung zwischen den Menschen ist nötiger denn je.
Einen Ansatz hierzu eröffnet der interreligiöse Dialog, und zwar nicht im engeren Sinne einer Gegenüberstellung theologischer Aussagen unter Fachleuten allein, sondern als Teil einer lebendigen Beziehung von Menschen, die verschiedenen Religionen angehören und aus ihrem Glauben heraus zur Gestaltung der Gesellschaft beitragen. Denn jede Religion versteht sich letztendlich nicht einfach als privates Gedankengut, sondert fordert auf zum Zeugnis mit Wort und Tat und zur verantwortlichen Mitgestaltung des Weltgeschehens.
Während Judentum, Christentum und Islam aus derselben abrahamitischen Wurzel stammen, war in der Geschichte die Beziehung zwischen Christen und Muslimen oft von Konflikt und Rivalität geprägt. Deswegen erschweren leider bis heute gegenseitige Unkenntnis und Vorurteile ein Zusammenleben und -wirken in Respekt und Vertrauen, so daß oft ein ganz neuer Ansatz für die Begegnung miteinander gefunden werden muß.

Einander kennenlernen

Einander wirklich kennenlernen bedeutet, unvoreingenommen auf den anderen zuzugehen und von ihm selbst etwas zu erfahren über seinen Glauben, seine Gedankenwelt, seine Wertvorstellungen, seinen Alltag, seine Ideale und seine Probleme, und selbst offen zu sein und ihm Einblick zu geben in die eigene Überzeugung.
Unvoreingenommen sein heißt, dem anderen in erster Linie als Menschen zu begegnen, nicht mit vorgefaßten Vorstellungen über „den Christen“ bzw. „den Muslim“. Gerade wir Muslime sind aufgefordert, unsere Mitmenschen als Geschöpfe des einen Gottes zu sehen und unsere Verschiedenheiten als göttliche Offenbarung zu betrachten:
Und unter Seinen Zeichen ist die Schöpfung der Himmel und der Erde und die Verschiedenheit eurer Sprachen und Farben. Hierin sind wahrlich Zeichen für die Wissenden. (Sura 30:32)
Auf diese Weise lernen wir den anderen nicht nur kennen, sondern auch, den eigenen Standpunkt zu überdenken und Unterschiede zu akzeptieren. Möglicherweise werden wir auch angeregt, uns mit unserem eigenen Glauben gründlicher zu beschäftigen und so zu neuen Erkenntnissen zu gelangen. Wollen wir über dieses gegenseitige Kennenlernen hinaus zu einer wirklich konstruktiven Beziehung gelangen, so dürfen wir nicht bei einer bloßen Bestandsaufnahme und desinteressierter Toleranz unserer Verschiedenheiten stehenbleiben, sondern sollten voneinander lernen und als Voraussetzung unseres Zusammenlebens und gemeinsamen Handelns das uns Verbindende suchen.

Gemeinsamkeiten finden

Der Qur’an fordert uns zum Dialog mit Angehörigen anderer Schriftreligionen auf:
O Volk der Schrift, kommt herbei zu einem Wort, das gleich ist zwischen uns und euch: daß wir keinen anbeten außer Gott und Ihm keinen Partner zur Seite stellen, und daß nicht die einen unter uns die anderen zu Herren annehmen statt Gott. Doch wenn sie sich abkehren, dann sprecht: Bezeugt, daß wir uns Gott ergeben haben. (Sura 3:65)
Tatsächlich ist es nicht schwierig, zwischen den Religionen der abrahamitischen Tradition (Judentum, Christentum, Islam) Gemeinsamkeiten und Parallelen zu finden, stimmen doch ihre Kernaussagen weitgehend überein:
– Wir glauben an denselben Gott, der uns geschaffen hat, der sich uns auf verschiedene Weise offenbart und uns führt und leitet, um uns zu vervollkommnen und Seinen Plan mit uns zu verwirklichen.
– Wir haben gemeinsame historische Wurzeln und leiten unseren Glauben aus derselben prophetischen Tradition her.
– Wir kennen von daher unsere besondere menschliche Verantwortung als „Statthalter Gottes auf Erden“.
– Wir haben dieselben ethischen Ideale und Wertvorstellungen und bemühen uns, diese zu verwirklichen. Dazu gehört unter anderem die Verwirklichung von Gerechtigkeit, Harmonie in der Menschheit und in der übrigen Schöpfung und Liebe als Vervollkommnung all dessen.
– Wir sind uns bewußt, daß wir schließlich vor Gott Rechenschaft über unser Leben ablegen müssen, und hoffen auf Seine Barmherzigkeit.
All das faßt der Qur’an in Sura 42:14-16 zusammen, wo der Prophet Muhammad (s.a.w.) angesprochen wird: Er verordnete für euch eine Glaubenslehre, die Er Noah anbefahl und die Wir dir offenbarten und die Wir Abraham und Moses und Jesus auf die Seele banden: nämlich bleibet standhaft im Gehorsam und seid nicht gespalten darin. Hart ist für die Heiden das, wozu du sie aufrufst. Gott wählt dazu aus, wen Er will, und leitet dazu den, der sich bekehrt. Und sie zerfielen erst dann in Spaltung, nachdem das Wissen zu ihnen gekommen war, aus selbstsüchtigem Neid untereinander. Und wäre nicht bereits ein Wort von deinem Herrn ergangen für eine bestimmte Frist – gewiß wäre zwischen ihnen entschieden worden. Wahrlich jene, denen Wir nach ihnen das Buch zum Erbe gegeben haben, sind in beunruhigendem Zweifel darüber. Zu diesem also rufe sie auf. Und bleibe standhaft, wie dir geheißen ward, und folge ihren bösen Gelüsten nicht, sondern sprich: Ich glaube an das, was Gott an Schrift herabgesandt hat, und mir ist befohlen, gerecht zwischen euch zu richten. Gott ist unser Herr und euer Herr. Für uns unsere Werke und für euch eure Werke! Kein Streit ist zwischen uns und euch. Gott wird uns zusammenbringen, und zu Ihm ist die Heimkehr.
Über das Verhältnis der Religionen der abrahamitischen Tradition heißt es in Sura 5:45-49:
Wir hatten die Thora hinabgesandt, in der Führung und Licht war. Damit hatten die Propheten, die immer gehorsam waren, den Juden Recht gesprochen, und so auch die Wissenden und Gelehrten; denn ihnen wurde aufgetragen, das Buch Gottes zu bewahren, und sie waren seine Hüter. Darum fürchtet nicht die Menschen, sondern fürchtet Mich; und gebt nicht Meine Zeichen hin um geringen Preis. Wer nicht nach dem richtet, was Gott hinabgesandt hat – das sind die Ungläubigen … Wir ließen Jesus, den Sohn der Maria, in ihren Spuren folgen, zur Erfüllung dessen, was vor ihm in der Thora war; und Wir gaben ihm das Evangelium, worin Führung und Licht war, zur Erfüllung dessen, was schon vor ihm in der Thora war, eine Führung und Ermahnung für die Gottesfürchtigen. Es soll das Volk des Evangeliums richten nach dem, was Gott darin offenbart hat; wer nicht nach dem richtet, was Gott hinabgesandt hat – das sind die Ungerechten. Wir haben dir das Buch hinabgesandt mit der Wahrheit, als Erfüllung dessen, was schon in dem Buche war, und als Wächter darüber. Richte darum zwischen ihnen nach dem, was Gott hinabgesandt hat, und folge nicht ihren bösen Neigungen gegen die Wahrheit, die zu dir gekommen ist. Einem jeden von euch haben Wir eine klare Satzung und einen deutlichen Weg vorgeschrieben. Und hätte Gott gewollt, Er hätte euch alle zu einer einzigen Gemeinde gemacht, doch Er wünscht euch auf die Probe zu stellen durch das, was Er euch gegeben. Wetteifert darum miteinander in guten Werken. Zu Gott ist euer aller Heimkehr; dann wird Er euch aufklären über das, worüber ihr uneinig wart.
Weder für Christen noch für Muslime erschöpft sich Glaube im Fürwahrhalten metaphysischer und theologischer Aussagen, sondern fordert auf, die Glaubenswahrheiten zu erforschen und zu erfahren. Die Gläubigen sollen Zeugnis in Wort und Tat ablegen und somit die Ideale und Werte verwirklichen. Sobald wir also auf diese Weise eine gemeinsame Basis gefunden haben, können wir die uns gestellten Aufgaben in Angriff nehmen und durch konstruktive Zusammenarbeit nicht nur theoretische Lösungsmöglichkeiten, sondern auch praktische Vorgehensweisen finden.

Gemeinsam handeln

Gott läßt unser Streben nach dem Guten nicht verlorengehen:
Wahrlich, die Gläubigen und die Juden und die Christen und die Sabäer – wer immer wahrhaft an Gott glaubt und an den Jüngsten Tag und gute Werke tut – sie sollen ihren Lohn empfangen von ihrem Herrn, und keine Furcht soll über sie kommen noch sollen sie trauern. (Sura 2:63)
Es kann hier selbstverständlich nicht darum gehen, die Religionen miteinander zu vermischen oder Unterschiede zu verneinen. Gerade an so zentralen Punkten wie z.B. der Wirklichkeit Jesu und Mohammeds (Friede sei mit ihnen) wird man den Dialogpartner in seiner Eigenart akzeptieren können. Der Qur’an gibt uns Hinweise für unser Verhalten in solchen Kontroversen:
Und debattiert mit dem Volk der Schrift nicht anders als auf die beste Art, mit Ausnahme derer, die ungerecht sind. Und sprecht: Wir glauben an das, was zu uns herabgesandt wurde und was zu euch herabgesandt wurde, und unser Gott und euer Gott ist einer, und Ihm sind wir ergeben. (Sura 29:47) 

aus: Faltblattserie des Islamischen Zentrums Hamburg

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